Beim Reverse-Charge Verfahren stellt das leistende Unternehmen eine Nettorechnung aus, während der Leistungsempfänger die abzuführende Umsatzsteuer selbstständig berechnet und an Finanzamt des Leistungsempfängers abführt.
In der Regel schreibt ein Unternehmen eine Rechnung inkl. Umsatzsteuer an seinen Kunden und wird diese Umsatzsteuer dann an das Finanzamt des Unternehmens abführen. Wenn das leistende Unternehmen Aufwände hatte, die zum Vorsteuerabzug berechtigt waren, können diese gegen die Umsatzsteuer in einer Umsatzsteuer-Voranmeldung gerechnet werden und die Differenz wird an das Finanzamt abgeführt bzw. dem Unternehmen gutgeschrieben.
Es gibt jedoch eine Ausnahme: Das Reverse Charge Verfahren. Dabei stellt das leistende Unternehmen eine Rechnung an den Leistungsempfänger ohne Umsatzsteuer aus (Nettorechnung). Der Leistungsempfänger berechnet dann selbst die abzuführende Umsatzsteuer aus und führt diese an das eigene Finanzamt ab. Die Steuerschuld liegt dabei beim Rechnungsempfänger und nicht mehr beim Rechnungssteller, weswegen das Verfahren auch als „Umkehr der Steuerschuldnerschaft” oder „Verlagerung der Steuerschuld“ bezeichnet wird.
Um das Reverse-Charge-Verfahren anzuwenden, müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. So müssen beide Parteien, sowohl der Rechnungsaussteller als auch der Rechnungsempfänger, ein Unternehmen (nicht bei Privatpersonen!) sein. Zudem kann man das Verfahren nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG für im Ausland ansässige Unternehmen anwenden.
Beispiel:
Ein dänisches Unternehmen erbringt Leistungen für unsere deutsche Firma. Dabei stellt das dänische Unternehmen eine Nettorechnung mit dem Reverse-Charge Verfahren an uns, also ohne Umsatzsteuer, i.H.v. 1.000,00€. Somit berechnen wir in Deutschland die abzuführende Umsatzsteuer. In Deutschland beträgt die Umsatzsteuer in der Regel 19%, somit müssen wir 190€ an unser Finanzamt abführen. Wenn wir jedoch zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, können wir - obwohl keine Vorsteuer auf der Reverse-Charge-Rechnung explizit ausgewiesen ist - die Vorsteuer i.H.v. 190€ abziehen, wodurch wir faktisch keine Steuer an das Finanzamt abführen. Wie im Beispiel aufgezeigt, würden wir die gleiche Umsatzsteuer zahlen wie wir als Vorsteuer zurückbekommen, also eine Nullrechnung. Was hat man dann davon?
Wieso gibt es dann das Reverse-Charge Verfahren?
Bleiben wir beim obigen Beispiel:
Das deutsche Unternehmen zahlt die Umsatzsteuer und zieht den Betrag als Vorsteuer wieder ab - dies geschieht in Deutschland in einem deutschen Finanzamt. Somit es hat für dieses Unternehmen keine weitergehenden Auswirkungen.
Das dänische Unternehmen erspart sich Arbeit und Verwaltungsaufwand, da das Unternehmen an ausländische Kunden nur Netto-Rechnungen mit dem Reverse-Charge-Verfahren schickt und keine Umsatzsteuer an die Finanzbehörden im Ausland weiterleiten muss.
Für die deutschen Finanzämter hat das Verfahren den Vorteil, dass die Umsatzsteuer auch in Deutschland bezahlt wird. Es könnte nämlich ohne das Verfahren sein, dass das dänische Unternehmen eine Rechnung mit Umsatzsteuer stellt, das deutsche Unternehmen zahlt dann die Rechnung und gibt diese gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer an, welche zurückerstattet wird vom deutschen Finanzamt. Wenn jedoch das dänische Unternehmen die erhaltene Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abführt, hat das deutsche Finanzamt quasi das Geld verloren (Steuerhinterziehung). Mit dem Reverse-Charge-Verfahren geht man sicher, dass die Umsatzsteuer auch im Inland bezahlt wird.
Wenn Sie als Unternehmer Rechnungen an ausländische Unternehmen nach dem Reverse-Charge Verfahren ausstellen, geben Sie auf der Rechnung einen Hinweis auf dieses Verfahren, sowie die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern der beiden Unternehmen an.
Das Reverse-Charge-Verfahren wird mittlerweile in der gesamten Europäischen Union bei grenzüberschreitenden Geschäften angewendet und zum Teil sogar vorgeschrieben. Um genau zu erfahren, ob Ihr Unternehmen verpflichtet ist grenzüberschreitende Rechnungen mit dem Verfahren zu stellen, kontaktieren Sie am besten Ihren Steuerberater.
Das Reverse-Charge Verfahren ist auch ein Thema für Kleinunternehmen nach § 19 UStG. Diese Unternehmen müssen eigentlich keine Umsatzsteuer ausweisen und sind somit auch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Jedoch können diese Unternehmen auch Steuerschuldner werden.
Beispiel:
Sie betreiben ein Kleinunternehmen und verkaufen selbstgenähte Taschen. Als Kleinunternehmer können Sie an Ihre Kunden Rechnungen ohne Umsatzsteuer stellen, selber können Sie aber keine Vorsteuer abziehen, z.B. für den Einkauf von Materialien. Wenn Sie aber Materialien aus dem Ausland kaufen, kann es sein, dass der Materialien-Händler Ihnen eine Reverse-Charge-Rechnung zukommen lässt, also ohne Umsatzsteuer. Diese müssen Sie aber bei Ihrem Finanzamt als Umsatzsteuer bezahlen, sind aber nicht berechtigt diese Steuer als Vorsteuer wiederzubekommen.